Die Rente mit 70 ist derzeit einer der wichtigsten Diskussionspunkte in der Politik. Doch wem nützt das hohe Renteneintrittsalter? Und wer hat Nachteile?

Rente mit 70 – Segen oder Fluch
Rente mit 70 – Provokative Forderung ? | © Robert Kneschke / stock.adobe.com

Kaum ein Monat vergeht, in dem nicht das Renteneintrittsalter Gegenstand der politischen Auseinandersetzung wird. Das verwundert nicht, denn die Kassen der gesetzlichen Rentenversicherung sind notorisch klamm und Berechnungen zufolge wird sich der finanzielle Engpass in einigen Jahren noch erheblich verschärfen.

Der jüngste Vorschlag in dieser Diskussion heißt Rente mit 70. Er ist als Extremforderung zu sehen, aufgeworfen in einem Strategiepapier der EU-Kommission sowie von wirtschaftsnahen Instituten wie dem Institut für deutsche Wirtschaft (IW).

Rente mit 70 – Die Gründe

Die EU-Kommission argumentiert damit, dass die durchschnittliche Lebenserwartung bis 2060 um 7 Jahre steigen wird und plädiert dafür das Renteneintrittsalter in der Europäischen Union um vier Jahre und sieben Monate zu verschieben. Sie verweist auf den höheren Durchschnitt der OECD-Länder, wo Männer im Schnitt mit 63,5 Jahre und Frauen 63,2 Jahre arbeiten.

Doch wer wäre davon betroffen? Schriebe man die bisherige schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters mit 67 in gleichem Tempo fort, so wären es die heute 28jährigen (Jahrgang 1982), welche erstmals Rente mit 70 beziehen würden.



Renten-Eintrittsalter contra Beitragserhöhung

Die Rentenversicherung als System basiert auf bestimmten Voraussetzungen, die sich grundlegend verändert haben. Die Menschen werden immer älter, beziehen länger Rente und das Verhältnis von Beitragszahlern und Rentenempfängern verschiebt sich massiv. Hieß die Lösung des Problems in der Vergangenheit Rentenerhöhungen auszusetzen oder die Beiträge anzuheben, so setzt man seit einigen Jahren verstärkt auf das Mittel der Heraufsetzung des Eintrittsalters.

Zuletzt auf 67. Dieses Gesetz ist inzwischen umstritten. Vor dem Hintergrund, dass die staatlichen Zuschüsse zur Rentenversicherung in den letzten Jahren immer weiter angestiegen sind und im laufenden Haushaltsjahr den Rekordwert von über 80 Mrd. Euro erreichen ist davon auszugehen, dass zukünftige Regierungen dieses Gesetz nicht mehr nennenswert reformieren werden.

Das Renteneintrittsalter jedoch weiter zu erhöhen heißt nichts anderes als die existierenden und absehbaren Probleme der Gegenwart in die Zukunft zu verschieben. In der Hoffnung, befürchtete Generationenkonflikte bereits heute entschärfen zu können und das System der gesetzlichen Rentenversicherung in der jetzigen Form finanzierbar zu halten.

Rente mit 70 – Provokative Forderung

Es steht außer Frage, dass die Forderung nach einem noch höheren Eintrittsalter von der Generation der jetzigen Beitragszahler als Provokation empfunden wird. Arbeiten doch immer mehr Menschen in schlechtbezahlten Jobs. Viele haben einfach zu wenig Geld um spätere Versorgungslücken durch eine ausreichende private Vorsorge auszugleichen.

Doch auch diejenigen unter ihnen, welche einen sicheren und gutbezahlte Arbeitsplatz haben, dürften derartige Forderungen wenig erfreuen. Zahlen sie doch schon jetzt die Höchstbeiträge und bereits heute ist absehbar, dass sie nur eine unterdurchschnittliche Rente beziehen werden. Weit weniger als sie einmal eingezahlt haben.

In den Ohren der Generation 50+ klingen derartige Forderungen ohnehin nur noch wie Hohn. Im Falle eines Jobverlustes schaffen es heute die wenigsten von ihnen einen vergleichbaren Arbeitsplatz auf Dauer zu finden.

Rente mit 70 aus Sicht der Unternehmen

Wer jetzt Rente mit 70 fordert, wie Vertreter von Arbeitgeberverbänden, verkennt die Lage. Fakt ist, dass bereits heute nur eine Minderheit tatsächlich bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter arbeitet. Solche Vorschläge werden wohl eher aus Angst vor zusätzlichen Belastungen in den Raum geworfen, denn die könnten im Falle von alternativen Beitragsanhebungen die Gewinne der Unternehmen schmälern.

Ein ernstes politisches Interesse der Wirtschaft dieses gesamtgesellschaftliche Problem sozial ausgewogen zu lösen ist von dieser Seite jedenfalls nicht zu erkennen.

Rente mit 70 praxistauglich?

Die Frage, ob das Instrument der Heraufsetzung des Renteneintrittsalters wirklich praxistauglich ist, steht noch aus. Körperlich schwer arbeitende Menschen werden wohl kaum bis zum Eintritt der gesetzlichen Altersgrenze ihrer Beschäftigung nachgehen können. Eine grundlegende Reform des Arbeitsmarktes ist daher zwingend, damit bereits die jetzige Reform überhaupt greifen kann.

Es müssen vielmehr Angebote für die Generation 60+ geschaffen werden. Wie man auch heute schon sehen kann, fühlt sie sich noch längst nicht dem alten Eisen zugehörig, sondern ist aktiv wie nie zuvor und nimmt am gesellschaftlichen Leben teil.

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7 Kommentare

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  2. Warum ist es nicht möglich, daß sich die wirklichen Gut- bzw. Spitzenverdiener am sozialen System beteiligen? Warum gibt es immer noch eine Beitragsbemessungsgrenze? Warum gibt es keine Sozialversicherungspflicht für ALLE? Solange da nichts gemacht wird, wird sich Nichts zum Guten ändern….

  3. Hartmut Pfeiffer on

    Freiwillig bis 70 arbeiten, warum nicht! Ich darf gar nicht daran denken an meine schmale Rente die knapp über 1000 Euro liegt
    Mehdorn mit 72 und Co scheffeln Millionen und das ist normal in dieser Gesellschaft und Politiker siehe Hans-Christian Ströbele“grüne“geb. 1939 da geht es ja auch,mit ordentliche Pensionen danach,
    Wer will und kann soll um sein bisherigen Lebensstandart beizubehalten so lange arbeiten wie es geht!

  4. Wenn Arbeiter bereits 45 Jahre gearbeitet haben und keinen Lust mehr haben, dann reicht das. Da würde ja einer 55 Jahre gearbeitet haben, falls er mit 15/16 angefangen hat. Ich bin der Meinung, wer 45 gearbeitet der kann in Rente gehen. Egal wie alt derjenige ist.

  5. Wenn ich dieses Gelaber mancher Politiker höre, platzt mir der Kragen. Es hat den Anschein, dass einige unserer Volksvertreter ihr Gehirn zu Hause lassen und mit Stroh im Kopf in ihrer Dienststelle erscheinen. Es geht hier schlicht und einfach um eine Rentenkürzung. Wenn die Politik wollte, dass Arbeitnehmer, die sich noch fit fühlen, länger arbeiten können, hätten sie schon lange die Voraussetzungen dafür geschaffen. Ich habe es am eigenen Leibe erfahren. Im März 2015 wurde ich Rentner, mit 65 Jahren und 3 Monaten. Noch bin ich fit und hätte gerne noch 2 Jahre angehängt.Ist aber nicht möglich. Man muss in Rente gehen, ob man will oder nicht. Das Gefasel, es würden Facharbeiter fehlen ist auch nur leeres Stroh. Man stellt Leiharbeiter mit wenig Fachkenntnis und keinerlei Berufserfahrung ein. Unsere ach so Geliebten Volksvertreter sind doch nur Marionetten der Wirtschaft. Ich bin gelernter Kfz.-Meister und habe in einem Instandsetzungswerk der Bundeswehr Lkw und Panzermotoren zerlegt und wieder zusammengebaut. Die Arbeit hat Spass gemacht und wenn der Motor ohne Zicken den Prüfstand verlassen hat, war man zufrieden.

  6. Ich finde die Rente mit 70 ok, wenn die Arbeitgeber verpflichtet werden, bis 70 zu beschäftigen.

  7. Ich weis doch, wo ich lebe. Du auch? Es geht um maximale Ausnutzung des Faktors „Arbeit“. Die Rente mit neuerdings „70“, ist ein weitere Vorstoß das Arbeitskräftepotential zu optimieren bzw. auszulutschen. Ich frage mich, ob sich die Gehaltszahlungen an all die Demographieforscher gelohnt haben. Sie haben in all den Jahren ihrer Forschertätigkeit lediglich festgestellt, dass wir immer älter werden. BRAVO!!!
    Ganz großes Kino, diese Erkenntnis. Hätte man nicht den Generationenvertrag langsam auf die individuelle Lösung umbauen müssen/können. Die Beamten wären ihr Geld wert gewesen! Doch da issser wieder…der Hund und der Hase!(Srichwort)
    Doch wer meckert, hat noch nichts zur Lösung des Problems beigetragen…..!
    Warum werden die Rentenkassen geplündert? siehe jetzige 2016er Erhöhung.
    Na ganz klar….wer pleite ist, braucht wieder Geld….die 70er Rente muss her.
    Warum zahlen nicht alle in die Rentenkasse ein?
    Warum gibt es Beitragsbemessungsgrenzen? und wenn doch wichtig,warum in dieser Preislage? Weiterhin….
    Die Wertschöpfung eines Arbeitnehmers der vergangen Jahre ist doch nicht mit der Wertschöpfung heutiger und noch weniger zukünftiger Jahre zu vergleichen. Kann man nicht dort ansetzen ? OOOh…je das kostet unserer hochprofitablen Industrie etwas. Geht sicher garnicht, weil Wirtschaftsstondort in großer Gefahr.
    Und dann sind da noch die jetzigen und zukünftigen Fachkräfte aus anderen Staaten, die doch unser Rentensystem entlasten könnten, anstatt in iren Heimatländern für „blühende Landschaften“ zu sorgen.
    Nein, lasst das mal mit den buntgefärbten Landschaften, wir brauchen euch. Getreu dem chinesischen Sprichwort:“ Wir schicken euch lieber Fische(Entwicklungshilfe in €), als euch das Fischen zu lehren!“
    Und, und, und,…. Liebe Befürworter der 70er Rente, wie dumm muss ich noch werden, um ihren Argumenten folgen zu können?
    Kann es wirklich so weit mit mir kommen?
    MfG

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